Gib Auschieberitis eine Chance!

Na, haben Sie sie schon vermisst, meine Denkanstöße? Wo sind sie geblieben, die Impulse? Auch ich leide manchmal an Prokrastination, wie der schöne Fachbegriff heißt, doch können sich die meisten Menschen mehr unter dem Begriff „Aufschieberitis“ vorstellen. Eigentlich hat man eine Aufgabe zu erfüllen, doch wird die Erledigung immer weiter vor sich her geschoben. Die Ursachen können vielfältig sein: Angst vor Fehlern, die abschreckende Größe der Aufgabe oder auch schlichtweg die Menge der zu erledigenden Arbeiten. Da bleibt dann schon mal etwas liegen.

Angst oder Abschreckung führen zu Vermeidungs- und Fluchtverhalten. Da werden andere Aufgaben vorgezogen. Das müssen gar nicht immer freudvolle Tätigkeiten sein. Es gibt die Mär, dass kaum eine Population sauberere Fenster hat als Studierende im Prüfungsstress. Die Flucht in die Hausarbeit wird zum Ausweg aus dem Druck der anstehenden Aufgaben. Und wenn man – wie ich – gerade zu viel zu tun hat, werden gerne zuerst die Dinge erledigt, die wenig Energie kosten und/oder eine Deadline haben.

Doch hilft Aufschieberites, das Leben leichter zu nehmen? Nein! Auch wenn im politischen Umfeld gerne die reinigende Kraft des „Aussitzens“ beschworen wird, funktioniert das Ignorieren und Abwarten nur in den seltensten Fällen. Der kölsche Spruch, der bemüht wird: „Is von allein jekommen, muss von allein widda jehn!“ hilft bei einer Erkältung, aber nicht bei Prüfungen, drängenden Aufgaben und Termindruck. Denn der Gedanke an die Notwendigkeiten begleitet einen, bewusst oder unbewusst. Spätestens wenn man nachts von den Aufgaben träumt, sollte man sie am frühen Morgen direkt angehen.

So sitze ich also heute früh am Schreibtisch und sinniere über Aufschieberitis. Und freue mich über meinen neuen Denkanstoß. Denn das ist das Faszinierende: Wenn man sich mal dransetzt, ist es meist schnell und gut getan. Das Unterbewusstsein hat im Schlaf schon einige Fragen geklärt und kreative Lösungen geschenkt, so dass die Gedanken fließen und der Denkanstoß schnell geschrieben ist.

Dann lohnt es sich also, so lange zu warten, bis man von der Aufgabe träumt? Ja, unbedingt. Sie lesen hier ein Plädoyer für „ein bisschen Aufschieberitis“. Schnell getan ist nicht unbedingt gut getan. Nutzen Sie die Kraft Ihres Unterbewusstseins – das „Mind wandering“ -, um Aufgaben kreativ und effektiv zu erledigen, und schlafen Sie ruhig eine Nacht drüber. Die alten Griechen sprachen von „Kairos“.

Kairos

Der Begriff bezeichnet den „günstigsten Zeitpunkt“, den man nicht verstreichen lassen darf. Kairos ist das Gegenstück zu Chronos, der messbaren Zeit, die in gleichbleibendem Tempo verrinnt.

Aufgabenerfüllung im Moment des Kairos macht aus etwas Getanem etwas Besonderes. Wenn sich also das Unterbewusstsein meldet, ist Kairos! Packen Sie es jetzt an.

Und sollte Kairos nicht kommen und Sie müssen sich trotzdem mit der Aufgabe beschäftigen? Dann hilft Disziplin und der Gedanke an eine nachfolgende kleine Belohnungseinheit. Die haben Sie sich dann verdient. Die Fenster können Sie natürlich trotzdem putzen. Auch kleine Erfolgserlebnisse sind Glücksmomente!